Willkommen in Malawi

 

Als wir in Malawi ankommen, müssen wir uns erst umgewöhnen, denn zum einen wird hier nicht mehr Suaheli gesprochen, sondern Chichewa, aber zum Glück scheint das Schulsystem deutlicher besser als in Tansania zu sein und die meisten Menschen sprechen gut bis sehr gut Englisch. Zum anderen heißt ein neues Land natürlich mal wieder eine neue Währung. Also besorgen wir uns direkt an der Grenze etwas vom weltberühmten malawischen Kwacha. Wer kennt ihn nicht? Jetzt müssen wir also nicht mehr 1:2.200 umrechnen, sondern 1:525. Der malawische Kwacha hat außerdem die Eigenschaft, dass der größte Schein (1.000 Kwacha) ca. 1,90 Euro entspricht, der kleinste Schein (20 Kwacha) sind nicht einmal 0,04 Euro. Da wir auf einen Schlag ca. 300 Euro abheben, bekommen wir 200 Scheine ausgespuckt. Eine aus Sicherheitsgründen unauffällige Bargeldabhebung ist nicht möglich. Aber gut, immerhin kommen wir an Bargeld während bei anderen Reisenden die Automaten gar nicht funktionieren.

Unser erster Stopp in Malawi heißt Chitimba. Bitte nicht verwechseln mit Chitipa (weiter nördlich), Chelinda (westlich), Chimanda (südlich), Chapati (Fladenbrot), Chipata (in Sambia) oder Chilumba (Nachbarort). Auch Chiweta, Chisenga, Chisanga sowie Chilanga sind woanders. Bis wir nach Chitimba kommen erleben wir aber zunächst noch den malawischen Minibus-Transport. Die kleinen Busse fahren erst dann ab, wenn sie voll sind. Und das heißt nicht, wenn jeder Sitzplatz belegt ist, sondern wenn der Kofferraum überquillt und nur mit Schnüren einigermaßen zugehalten werden kann, wenn in jeder Sitzreihe mehr Personen Platz nehmen als es Sitze gibt, wenn zwischen die Fahrgäste kein Blatt Papier mehr passt, wenn mindestens ein Passagier bleibende Rückenschäden bekommen wird, wenn Fische, Körbe und Teppiche außen am Bus sicher und manchmal auch unsicher verstaut sind. Dann kann es also losgehen! Aber nur kurz, denn nach wenigen Kilometern warten weitere Passagiere am Straßenrand. ‘Der Bus ist voll’ denken wir. Der malawische Transporteur denkt anders. Der Kofferraum wird kurz ausgeräumt, alles mitsamt dem neuen Gepäck neu einsortiert, die zwei Fahrgäste werden noch irgendwo reingestopft und zack, alles drin. Tetris gegen einen malawischen Busangestellten – keine Chance! Besonders hart sind längere Fahrten, wobei schon alles über einer Stunde zu viel ist. Der einzige Vorteil einer langen Minibus-Fahrt: Im Lauf der Zeit kann man sich zu den guten Plätzen vorarbeiten. Am Anfang sitzt man vielleicht noch rückwärts über dem heißen Motor, Gesicht an Gesicht mit dem gegenüberliegenden Fahrgast, zwischen den Beinen einen Korb voller getrockneter Fische und wenn es ganz dumm läuft, hat man auch noch einen Karton im Genick, kurz gesagt: Es kann ziemlich unbequem sein. Im Lauf der Zeit kann man sich aber wie erwähnt nach oben arbeiten, irgendwann hat man eine gerade Körperhaltung, man fährt vorwärts, kann das Bein bewegen oder, und das ist die Krönung, man kann ganz vorne sitzen, wo nie mehr Personen als erlaubt Platz nehmen. Wir schaffen es einmal und es ist toll, denn wir können die wunderschöne Landschaft genießen: den tiefblauen Malawisee, die goldgelben Sandstrände, die grünen Hügel und Berge, Paviane, die über die Straße springen, dann die nächste Bucht am See, und schon bald erreichen wir Chitimba.

Hier finden wir einen schönen Campingplatz direkt am Malawisee, mit viel Sand und Strand und einer grünen Zeltwiese. Der riesige See wirkt wie ein Meer, kein Wunder, er erstreckt sich von Norden nach Süden über fast 600 Kilometer (ein See von Hannover bis Ulm). Nach zwei Tagen Relaxen, Beach Soccer und Lesen lassen wir uns einige Einrichtungen im Dorf zeigen: eine Schule, ein Gesundheitszentrum und, klar, den Hexendoktor. Die Schule liegt fast neben unserer Unterkunft und wir sind schon einige Male daran vorbeispaziert und haben Kinderscharen um uns versammelt. Bei unserem Besuch in der Schule ist das natürlich nicht anders und auch die Kinder, die gerade eigentlich einen Test schreiben, stürmen zu uns und wollen auf die Fotos. Leider bedrückt uns der Schulbesuch ziemlich, denn es gibt weder Stühle noch Tische, alle Schüler sitzen auf dem nackten Betonboden, Bücher sind kaum vorhanden, Stifte und Papier Mangelware. Auf ca. 1.000 Schüler kommen 17 Lehrer, 15% der Schüler sind Waisenkinder, was uns gleich zum sogenannten Gesundheitszentrum bringt, das nicht weniger bedrückend wirkt. HIV ist nach wie vor ein großes Problem und viele Kinder wachsen elternlos auf. Neben HIV wird vor allem Malaria behandelt, aber das Behandlungszimmer sieht nicht gerade vertrauenserweckend aus. Insgesamt gibt es sechs Krankenbetten, alle mit aufgeplatzten, uralten Matratzen, aus denen der Schaumstoff quillt, es fehlt an allen Ecken und Enden. Irgendwie verstört kommen wir aus dem Zentrum, wir würden gerne helfen, aber wir fühlen uns hilflos. Verstörend, aber wenigstens nicht bedrückend, verläuft unser Besuch beim Hexendoktor, der dafür ein offizielles Zertifikat der Regierung hat. Um zu heilen, muss er – weiß im Gesicht angemalt – sich zunächst in Trance tanzen. Dazu trommeln zwei Helfer ziemlich wild und der Hexendoktor tanzt mit seiner Trillerpfeife im Mund und unzähligen Glocken am ganzen Körper noch viel wilder. Als er sich dann auf den Boden legt und weitere Helfer Mehl auf seinem Brustkorb stampfen wird es irgendwie verrückt. Nach einigen Minuten endet der Tanz und für nur 400 Kwacha pro Person könnten wie eine Zukunftsvorhersage bekommen. Wir lehnen aber dankend ab. Nach Schule, Krankenbetten und diesem Trance-Tanz reicht es uns für heute.

Natürlich wollen wir auch noch erzählen wie wir in Malawi Weltmeister geworden sind. Ein besonders gutes Omen gibt es schon am frühen Abend. Bereits um 17.15 geht in Malawi die Sonne unter, eine Stunde später erleben wir einen fantastischen Vollmondaufgang: der Himmel schwarz, der fußballrunde Mond rot-gold! Mit diesem Farbenspiel im Kopf wagen wir uns gemeinsam mit Andrew und Laura aus Australien in einen lokalen Pub, besser gesagt einen Raum mit einem Fernseher im Eck und den unbequemsten Holzbänken Afrikas. Als Argentinien das vermeintliche 1:0 schießt herrscht großer Jubel und wir beschließen bei einem deutschen Tor nicht zu auffällig zu feiern. Wir hoffen, zittern und fiebern mit und wollen eine Entscheidung nach 90 Minuten – die Bänke sind nicht zum Aushalten. Bei Götzes Tor wird dann aber doch auch gejubelt, dieses Mal von der anderen Hälfte und natürlich wir beide. Nach Spielende spazieren wir zum Camp und wir müssen uns auf der Straße vorstellen, wie Fahnenmeere jetzt deutsche Straßen überfluten. Zurück auf dem Campingplatz schauen wir uns die Siegerehrung an, wir sind die einzigen Deutschen und damit die einzigen, die noch wach sind. Zum Glück gibt’s noch ein Bier und wir Zwei feiern mit einer HUMBA – flüsternd, damit wir die anderen Gäste nicht zu sehr belästigen – und Pogo tanzend auf dem Campingplatz. Jetzt wären wir schon gerne irgendwo in Deutschland, aber wir haben es uns hier so lustig und fröhlich wie möglich gemacht. Auf jeden Fall einmalig.

Weltmeisterlich sind auch die nächsten drei Tage, die wir auf der Mushroom Farm hoch über dem Malawisee verbringen. Unser Zelt steht direkt am ostafrikanischen Grabenbruch, neben uns geht es 700 Meter in die Tiefe, weit unter uns Chitimba und die Strände des Sees. Noch etwas höher hinauf geht es bei einem Spaziergang durch das ländliche Malawi bis nach Livingstonia, einer alten schottischen Missionsstation. Auf dem Rückweg, gestärkt mit leckerer Bananenmarmelade, besuchen wir die Manchewe Falls, mit bis zu 120 Metern die höchsten Wasserfälle des Landes. Durch dichten Urwald stürzt das Wasser in die Tiefe und ein paar Kinder zeigen uns einen Weg, wo wir direkt hinter die Wasserfälle kommen können. Es ist ziemlich beeindruckend hinter der vorbeirauschenden Wasserwand zu stehen und gleichzeitig trocken und sicher zu sein. Als Abschluss dieser wunderbaren Tage in Nordmalawi wandern wir, wieder durch winzige Dörfer und an kleinen Tee-, Kaffee- und Cassava-Farmen vorbei, hinauf auf das Chombe Plateau, wo wir 1.200 Meter über dem See stehen, nach Tansania blicken können und in die andere Richtung in die Hügellandschaft des Nyika-Nationalparks. Trotz aller Schönheit wir wissen auch schon eins: Die nächste Minibus-Fahrt kommt bestimmt…