Die bereits angekündigte Busfahrt von Coyhaique nach Chaitén bringen wir einigermaßen gut hinter uns, immerhin 420 Kilometer in 11,5 Stunden! Über eine extrem holprige Straße kriecht der Bus die Kurven nach oben, es geht durch dichten Regenwald und nachdem es morgens noch trocken ist, kommt dann auch bald der Regen von oben dazu. Trotz allem eine beeindruckende Landschaft. Aber wird sind auch froh als wir endlich Chaitén erreichen. Für den nächsten Tag organisieren wir einen Ausflug mit Nicolas, einem örtlichen Guide, Musiker, Geologen, was auch immer, auf jeden Fall ein uriger Typ. Mit insgesamt 13 Personen fahren wir wieder etwas nach Süden, um dort durch wilden, dichten Regenwald zu einem Gletscher zu wandern. Es ist ein eigenartiges Gefühl, wenn man durch Lianen, Farne, Riesenpflanzen, Blütenbüsche und üppiges Grün geht und am Ende der Tour kommt man aus dem Wald und hat den Blick auf einen Gletscher mit seinen blauschimmernden Eismassen. Leider regnet es in Strömen, sodass wir es nur kurz genießen können. Auf dem Weg zurück fahren wir bei heißen Quellen in El Amarillo vorbei (Ja, das war der Weg nach Amarillo), wo wir ein sehr erholsames Bad nehmen. Da das Wasser ca. 50 Grad hat, hält man es allerdings nicht allzu lange darin aus und man kann zur Abkühlung in den eiskalten Fluss springen. Gut erholt gibt uns Nicolas noch ein Okulele-Konzert mit Songs von Nirvana bis Bob Marley, bevor wir uns abends mit zwei deutschen Pärchen zum Essen verabreden und einen schönen Abend mit Hühnchen, Reis und Bier verbringen. Wir brauchen ja schließlich Stärkung, denn auch am zweiten Tag in Chaitén wollen wir eine Tour mit Nicolas unternehmen (und er läuft mit seinen geschätzten 60 Jahren sehr sehr schnell).
Also geht es am nächsten Tag auf zum Vulkan Chaitén. Bis vor wenigen Jahren war das kleine Örtchen Chaitén ein wohl schönes Dorf mit netter Uferpromenade, direkt am Meer, dahinter ragen die grünen, steilen Berge hinauf. Im Jahr 2008 brach dann aber ein bis dahin unbekannter Vulkan aus, spuckte Asche, die auch noch in Buenos Aires als Regen fiel und eine 20 Kilometer hohe Rauch- und Aschewolke stand über dem Berg. Das Schicksal von Chaitén schien aufgrund der großen Zerstörungen besiegelt, die Regierung hat den evakuierten Ort aufgegeben und wollte (zunächst) keinen Wiederaufbau. Da aber die Einwohner langsam zurückkehrten und sich ein neues Zuhause aufbauten, wurden nach zweieinhalb Jahren die Strom- und Wasserversorgung wiederhergestellt, die Schulen wieder eröffnet, es gab wieder einen Arzt sowie eine Tankstelle. Die ersten zweieinhalb Jahre nach dem Ausbruch hatten die zurückgekehrten Einwohner also ohne fließendes Wasser, Heizung und Strom verbracht. Von den ursprünglichen 5000 Einwohnern wohnen inzwischen wieder ca. 1200 hier. Die Zerstörungen des Vulkans sieht man aber noch an allen Ecken: verlassene, zerstörte Häuser, mit Asche bedeckte Autos, große Asche-Schlamm-Haufen am Straßenrand und vor allem liegt die Uferpromenade nicht mehr am Meer, sondern an einem riesigen Asche-Schlamm-Geröll-Gemisch, das das Ufer einige Hundertmeter weiter ins Meer verschoben hat. Ja, und auf den dafür verantwortlichen Vulkan wollen wir heute hinauf, zumindest soweit wie es möglich ist. Der untere Teil des Berges hat sich inzwischen wieder einigermaßen erholt und es wachsen viele Farne und Sträucher. Dazwischen stehen unendlich viele tote Bäume, die von der ersten Druckwelle des Ausbruchs kurzerhand umgemäht wurden. Weiter oben wird die Vegetation deutlich geringer, die Asche dagegen wird tiefer. Wir können uns bis zum Kraterrand vortasten, von wo aus man einen Blick in den 3,5 Kilometer weiten Krater werfen kann. In der Mitte des Krater bildet die Lava einen „Lava-Dom“, der stetig wächst. Das Ganze sieht aus wie ein roter, dampfender Berg innerhalb des Kraters, die Lava ist allerdings trocken und nicht kochend. Nebenbei hat man hier noch einen wunderschönen Blick auf die vielen Inseln, die hier vor der Küste im Pazifik liegen – auf der anderen Seite den faszinierenden, aber auch irgendwie beängstigenden Vulkan. Begeisterung und Bestürzung liegen selten so nah beieinander.
Mit vielen Eindrücken und vier netten Mitfahrern geht es noch am selben Abend mit der Fähre weiter nach Puerto Montt und von dort nach Puerto Varas. Hier soll man angeblich einen herrlichen Blick über den See hinweg auf den Vulkan Osorno haben. Aber eben nur angeblich, denn Wolken und Regen behindern die Sicht. Wir sehen gar nicht erst ans andere Ende des Sees, geschweige denn irgendeinen Berg. Wir hoffen also auf den nächsten Tag, der uns aber schnell die Hoffnung nimmt. Selbst als wir mehr oder weniger direkt vor dem schneebedeckten Vulkan stehen, sehen wir – Nichts! (Bei Sonne kann es so aussehen: http://www.suedamerika-reiseportal.de/images/big/lago-llanquihue-und-vulkan-osorno-seengebiet-480.jpg). Als Ersatzprogramm schauen wir uns eben einige Wasserfälle an, die uns aber nicht sonderlich begeistern. Jetzt fängt es auch noch richtig an zu schütten und uns bleibt eigentlich nur eine Lösung: Auf nach Erdbeerhausen!!
In Frutillar (etwa „Erdbeerhausen“) angekommen, schlendern wir etwas am Ufer entlang und lachen über die vielen Andenken der früheren deutschen Siedler: „Casa del Kuchen“, Hostal „Tante Puppe“, Hotel „Zur Wassermühle“… Aber einen Kuchen wollen wir natürlich auch, denn jedes Café bietet hier eben „kuchen“ an. Wir finden schließlich ein schönes Lokal in Erdbeerhausen und essen „kuchen de frambuesas con streusel“ und „strudel de manzana“. Herrlich! Auch die Rückfahrt mit dem Linienbus (Frutibus) hat etwas: Hier hält der Busfahrer noch kurz beim Tomatenhändler an der Autobahnauffahrt, schließlich muss er ja auch etwas zu Abend essen. Abends gibt es für uns frische Erdbeeren und Himbeeren und die zwei Regentage sind halbwegs vergessen. (Schade ist nur, dass wir „El Dia del kuchen“ verpasst haben, angeblich DAS Hightlight in Puerto Varas.)