Auf den Spuren der Inka

 

Seit einigen Tagen sind wir im Herzen des ehemaligen Inka-Reichs, in Cusco. Die Stadt wurde im 16. Jahrhundert von den Spaniern erobert, die die Inka-Tempel und -Gebäude größtenteils zerstört, dafür zahlreiche Kirchen, typische Kolonialbauten und viele enge Gässchen errichtet haben, die heute ein sehr schönes Stadtbild ergeben. Besonders der Hauptplatz mit Kathedrale, drei weiteren Kirchen und den vielen Bogenarkaden gefällt uns sehr gut. Aber wir sind – wie eigentlich alle Touristen – nicht wegen den spanischen Kolonialbauten hier, sondern wegen den von den Spaniern vernichteten Inka.

Nach drei Tagen Ruhe und Lesen machen wir uns zunächst auf, um die nahegelegenen Ruinen von Tambomachay (eine Art Bad) bis Sacsaywamán zu erkunden. Wir spazieren von einer Stätte zur nächsten und da heute Muttertag ist, sind alle Wiesen und Felder voller Menschen. Der Tag kommt hier einer richtigen Familienfeier gleich, überall wird gegrillt, Fußball gespielt und gefeiert, es herrscht sehr ausgelassene Stimmung. Nach 10km erreichen wir dann das sehr beeindruckende Sacsaywamán, eine ehemalige Inka-Festung direkt oberhalb von Cusco. Die Stadt wurde (so vermutet man) in der Form eines Pumas angelegt, mit der Festung als Kopf und die vielen dicken Zickzack-Mauern als Zähne. Besonders faszinierend sind die riesigen, sauber geschliffenen Steine, die von den Inka hier verarbeitet wurden.

Neben diesen Ruinen gibt es hier in der Gegend viele alte Inka-Stätten und Tempel, aber letztlich sticht doch eine ganz besonders heraus: Machu Picchu! Es gibt verschiedene Möglichkeiten dort hinzukommen: der Inka-Trail (muss man Monate im Voraus buchen), mit dem Zug (kostet für drei Stunden Fahrt 140 Euro), mit dem Bus (3x Umsteigen und dann noch 11km zu Fuß) oder eine schöne Alternative zum Inka-Trail, der Salkantay-Trek, der in vier Tagen bis zum Fuß von Machu Picchu führt. Wir entscheiden uns für den Trek, schließen uns aber wegen der großen Höhe einer geführten Wanderung an. Die Tour ist traumhaft schön, wir starten im Grünen auf 3.400m, erreichen das Hochgebirge und vergletscherte Eiswände, überqueren einen Pass auf 4.650m, steigen hinab in den Dschungel, übernachten auf einer Kaffee- und Bananenfarm und wandern durch dichten Regenwald mit Fernsicht auf Machu Picchu. Es ist so abwechslungsreich, dass wir die sehr harten Strapazen gut überstehen. Auf dem Salkantay-Pass wird die Luft schon sehr dünn und am selben Tag gehen wir fast 2.000 Höhenmeter nach unten, die Tagesetappen sind ca. 25km lang und wir gehen 8-9 Stunden pro Tag. Da kommen die heißen Quellen bei Santa Teresa am dritten Tag genau richtig und wir können zwei Stunden im warmen Wasser relaxen und unsere Muskeln entspannen. Unsere Gruppe (ein Münchner, zwei Amerikaner, ein Engländer und wir) passt gut zusammen, allein unser Guide ist nicht wirklich gut, denn er wandert so schnell, dass man eigentlich keine Chance hat mitzukommen und so kann es schon einmal passieren, dass er uns alleine laufen lässt und wir ihn erst wieder am Camp treffen, wo er mit anderen Fußball spielt. Am vierten Tag geht es im Stechschritt durch den Dschungel nach oben bis nach Llactapata, dafür werden wir mit tollen Aussichten belohnt: rechts der Salkantay (6.271), den wir leider wegen dichten Wolken nicht sehen konnten als wir direkt davor standen, daneben weitere schneebedeckte Gipfel, vor uns – über zwei Bergkämmen hinweg – liegt Machu Picchu in einer atemberaubenden, grünen Landschaft, hinter uns der dichte Dschungel und Inkaruinen.

Am selben Abend erreichen wir Aguas Calientes, ein kleines Städtchen am Fuße der weltbekannten Ruinen, das nur zu Fuß oder per Bahn erreichbar ist. Von hier müssen wir am nächsten Morgen „nur“ noch nach oben gehen und schon sind wir in Machu Picchu. Morgens um 4 Uhr gehen wir los, es geht zunächst 400 Höhenmeter nach oben – und das durchgehend mit Stufen! Chris, Waldemar, Dan und Daniel ziehen es in 35 Minuten durch, wir sind tatsächlich die ersten. Um Punkt 6 Uhr werden die Tore geöffnet, es geht noch einige Stufen hinauf und dann liegt uns Machu Picchu in seiner ganzen Schönheit zu Füßen. In den kommenden zwei Stunden haben wir eine mittelmäßige Führung, aber danach den ganzen Tag Zeit, um alles auf eigene Faust zu entdecken. Neben verschiedenen Tempeln, Wohnhäusern und astronomischen Anlagen begeistern uns die Terrassen, die hier für die Landwirtschaft in den steilen Hang gebaut wurden. Später machen wir uns noch auf den Weg zum Gipfel des Machu Picchu-Berges, weitere 700 Höhenmetern über unendlich viele Stufen. Insgesamt sind wir 1.100 Meter ausschließlich über unregelmäßige, in Stein gehauene Treppen hochgestiegen, ich (Daniel) glaube das ist der härteste Tag meines Lebens. Aber auch das lohnt sich, denn wir können eine tolle Aussicht auf die Ruinenstadt und die umliegenden Berge genießen. Und je mehr Zeit wir zwischen alten Mauern, auf den Terrassen und umliegenden Hügeln verbringen, desto besser gefällt uns die gesamte Anlage mit ihren tiefgrünen Wiesen, dem Urwald und der einmaligen Lage.

Aber auch dieser Tag hat irgendwann ein Ende und es geht mit dem Zug zurück von Aguas Calientes Richtung Cusco. Zunächst gibt es für jeden Fahrgast etwas zu trinken, einen Sandwich und eine Zimtschnecke und dann wird plötzlich die Musik aufgedreht, ein maskierter Clown springt in unser Abteil und tanzt wild durch den Zug. Es herrscht Partystimmung! Später zeigen uns die Schaffnerin und der Schaffner in einer Modenschau Alpaca-Pullis und schicke Ponchos. Wir können uns kaum halten vor Lachen, so eine Zugfahrt haben wir noch nicht erlebt.

Nach fünf Tagen Wandern sind wir ziemlich erledigt, diese fünf Tage waren extrem anstrengend und kräfteraubend. Aber sie waren auch atemberaubend schön: die Abwechslung in der Landschaft vom Hochgebirge zu Bananenstauden, die Passüberquerung in dünner Luft, eine sehr nette Gruppe und als krönenden Abschluss das unglaubliche Machu Picchu.