Paradies mit Schattenseite

 

SANSIBAR – allein der Name lädt schon ein zum Genießen und weckt paradiesische, exotische Vorstellungen. Und, das können wir schon vorwegnehmen, nicht zu unrecht. Aber es ist eben nicht alles herrlich im Paradies, auch das wollen wir schon mitteilen.

Auf etwas unkonventionelle Art und Weise landen wir auf Sansibar, denn wir kommen weder mit einer der renommierten Fähren aus Dar es Salaam, noch mit dem Flugzeug, nein, wir kommen mit einer ‘Nussschale’ aus Pangani. Fast fünf Stunden dauert die Überfahrt mit der alten Dhau vom Festland bis nach Nungwi an der Nordspitze Sansibars, wobei wir nicht segeln, sondern zwei altersschwache Motoren unser Antrieb sind. Gemeinsam mit fünf Mitreisenden und zwei Bootsmännern schaukeln wir durch den Ozean, von Wellental zur Wellenspitze zum Wellental und wieder zur Wellenspitze, fünf Stunden lang schwanken wir nach links und nach rechts, nach vorne und nach hinten. Nach eineinhalb Stunden sehen wir kein Land mehr am Horizont, nur noch unser Boot zwischen den nicht gerade kleinen Wellen. Wir Zwei sind die Einzigen, die nicht seekrank werden (ein Hoch auf die Reisepillen, die wir vorher eingeworfen haben) und endlich, nach knapp vier Stunden heißt es “Land in Sicht”. Nur noch eine Stunde schaukeln und wir erreichen Sansibar. Da es im Norden der Insel keinen richtigen Hafen gibt, landen wir direkt am Strand, oder fast direkt am Strand, wir müssen mit unseren Sachen noch in ca. ein Meter tiefes Wasser springen und kommen klatschnass an einem wunderschönen Strand an, das Wasser in herrlichem Türkis, der Sand strahlend weiß. Da sind die Strapazen der Überfahrt schnell vergessen. Der Norden Sansibars hat wunderbare Strände, allerdings auch ziemlich viele Hotels, die nah ans Meer gebaut sind. Dennoch – so schön wie hier das Meer ist, so klar, so türkis, mit diesem wunderbaren Sand, da stören auch die Hotels und Strandbars nicht (die zudem alle ganz nett angelegt sind). Mit Baden (27 Grad warmes Wasser), Strandspaziergängen, extrem leckerem Essen und Sonne-Genießen können wir es hier gut aushalten.

Nach drei sehr faulen, aber mindestens genau so schönen Tagen geht unsere Reise weiter nach Zanzibar Town, der größten/einzigen Stadt auf der Insel, die im Regelfall nur nach ihrer Altstadt “Stone Town” genannt wird. Die Stadt gefällt uns auf den ersten Blick: Stone Town ist eine wilde Mischung aus engen, arabischen Gassen, indischen Handelshäusern mit ihren großen Holzbalkonen, Kirchen, Moscheen und Gebäuden im kolonialen Stil. Es erinnert uns ein bisschen an Marrakesch, nur in Klein und weniger hektisch, dafür ostafrikanisch entspannt. In den vielen engen Gässchen, die scheinbar komplett ohne System angelegt wurden, gibt es traditionelle Handwerker, Koranschulen, Gewürzverkäufer und (mehr als genug) Souvenirshops. Wir finden uns im Straßengewirr ganz gut zurecht, besuchen ein altes arabisches Fort, die ehemalige Sultansresidenz, die Kathedrale, die symbolisch auf dem letzten offiziellen Sklavenmarkt dieser Welt erbaut wurde, den schön angelegten Forodhani-Garten am Hafen und genießen die freundliche Stimmung in dieser Stadt. Abends erwachen die Forodhani-Gärten erst richtig zu Leben, wenn der Nachtmarkt aufgebaut wird und wir mit frischem Fisch, Kokosbrot, gegrillter Banane, Zanzibar Pizza und frisch gepressten Säften (Mango-Saft, Zuckerrohr-Saft) verköstigt werden. Da wir drei Nächte in der Stadt sind, schlagen wir uns folgerichtig auch drei Mal hier den Magen voll, der Markt überzeugt uns voll und ganz und das Essen auf Sansibar konkurriert heftig mit den argentinischen Rindersteaks um das beste Essen unserer Reise. Drei Abende auf dem Forodhani-Markt, und drei Abende, die komplett anders sind. Am ersten haben wir einen tollen Sonnenuntergang, eine ausgelassene Stimmung mit den ins Wasser springenden Jugendlichen und irgendwie eine Volksfestatmosphäre, es ist einer dieser Momente in denen wir das Leben richtig genießen. Der zweite Abend ist dann der Vorabend zum Ramadan und die Stone Towner Jugend feiert ausgelassen auf dem Platz und im angrenzenden Meer, Frauen und Kinder sind besonders herausgeputzt und außerdem treffen wir Lena und Bernd wieder, die wir bereits in Peponi kennengelernt haben. Am dritten Abend ist dann tote Hose, am ersten Ramadan-Abend sind wohl alle zuhause und stopfen sich dort die hungrigen Mägen voll. Der muslimische Fastenmonat bringt für uns Touristen den Nachteil mit sich, dass man tagsüber draußen weder trinken noch essen sollte, alle Restaurants und Cafés geschlossen sind und wir hungrig durch die Straßen eiern.

Sansibar ist aber nicht nur bekannt für Traumstrände und Stone Town, sondern auch als traditionelle Gewürzinsel. Also besuchen wir für einige Stunden eine der vielen Gewürzfarmen im Landesinneren. Irgendwie ist es schon eigenartig mit den vielen Hotels am Meer und dem recht armen und sehr einfachen Landesinneren, wo Ochsenkarren die Waren transportieren und die Menschen mit extrem niedrigem Standard zurechtkommen. Als wir auf der Gewürz- und Obstfarm ankommen werden wir gleich hineingeführt in die interessante Welt der Gerüche, fremder Früchte, bekannter und unbekannter Pflanzen und wir werden immer wieder mit neuen Infos überrascht. Vanille, Pfeffer, Nelken, Muskat, Kardamom, Zitronengras, Mango, Sternfrucht, Kakao, Kaffee, Ingwer, Zimt, Cayenne-Pfeffer, Kokosnuss, Orangen, Jackfrucht, Brotfrucht, Haargelfrucht (ja, heißt wirklich so), Grapefruit, und und und, alles können wir uns gar nicht merken. Besonders fasziniert sind wir vom Zimtbaum, denn wir wussten nicht, dass Zimt als Baum wächst und Zimtstangen die Rinde des Baums sind (Zimtbaumrinde kann man also essen und schmeckt gut). Auch Zimtbaumblätter haben den typischen Zimtgeruch, die Zimtbaumwurzel dagegen riecht wie ein atemwegefreimachendes Bonbon. Man lernt eben nie aus.

Neben dem Ruhm als Gewürzinsel hatte Sansibar leider lange auch den Ruf als Sklaveninsel. Im Landesinneren von Tansania wurden bis weit ins 19. Jahrhundert ganze Stämme gefangen genommen und ans Meer geschleppt, wo sie dann über Sansibar nach Arabien verkauft wurden. Auch nach Abschaffung der Sklaverei wurde weiterhin mit Menschen gehandelt. Wir besuchen eine kleine Höhle in Strandnähe, in der illegal hunderte Sklaven gehalten wurden bis sie unbemerkt am Meer verladen und abtransportiert wurden. Eine beklemmende Vorstellung und auch ganz ohne Museum sehr eindrücklich.

Da wir Sansibar nicht verlassen wollen ohne nochmals am Strand gewesen zu sein, machen wir uns auf den Weg zur Ostküste, die uns super gefällt, denn hier sind die Strände endlos lang, kokospalmengesäumt und strahlend weiß. Wir gönnen uns einen schönen Bungalow am Strand, bei Flut ist das Meer nur 20 Meter entfernt, bei Ebbe dagegen einen guten Kilometer. Die Gezeiten sind extrem und nur bei Flut können wir baden, bei Ebbe dagegen den vielen Einheimischen zuschauen, die dann Krebse fangen und Seetang ernten. Der Strand hier bei Bwejuu gleicht schon der Klischee-Vorstellung vom Paradies, es ist traumhaft schön.

Leider erfahren wir hier auch etwas, das wir nicht so schnell vergessen werden/können. Mit gemieteten Fahrrädern radeln wir am Strand entlang, hinauf zur blauen Lagune, wo wir die schönsten Strandabschnitte genießen, das Meer unglaubliche Farben hat, wir so viel Spaß haben, wenn wir mit den Rädern über den weißen Sand rauschen. Es ist ein wunderbarer Tag – bis wir bei der Rückfahrt von zwei Männern mit gezückter Machete und Messer gestoppt, überfallen und ausgeraubt werden! Eine Minute vor dem Überfall haben wir noch gesagt, dass heute einer der schönsten Tage unserer Reise ist, und innerhalb weniger Sekunden wird er zum hässlichsten. Geschockt und verängstigt fahren wir schnell weiter bis wir nach ca. 200 Metern auf ein amerikanisches Pärchen treffen und den ersten Schock zumindest ein kleines bisschen verarbeiten können. Es ist verrückt, ausgerechnet bei einem der touristischsten Orte unserer Reise passiert uns so etwas. Uns ist körperlich nichts passiert, gestohlen wurden Kamera (am Morgen noch die Speicherkarte gewechselt), ein kleiner Rucksack mit Mütze, Handtuch, Sonnencreme und Co., aber letztendlich haben wir das Gefühl von Sicherheit verloren, die Leichtigkeit, die Freude über das wunderbare Sansibar, das Vertrauen in die Menschen. Am nächsten Tag sitzen wir am Strand und wir können die traumhafte Umgebung einfach nicht genießen, es ist nicht mehr schön, auch frischer Saft und frischer Fisch, es schmeckt nach nichts, wer beim Fußball gewinnt interessiert uns nicht die Bohne. Inzwischen, einige Tage später, geht es uns aber wieder deutlich besser und wir konnten uns über das Meer auf Sansibar zumindest wieder etwas erfreuen. Baden und eine Kayaktour über das kristallklare Wasser haben zum Glück wieder Spaß gemacht.

Ein Überfall hat natürlich auch immer einen Besuch bei der Polizei zur Folge, wenigstens um einen Beleg für die Versicherung zu bekommen. Direkt nach dem Überfall machen wir uns mit einem Angestellten vom Hotel auf zur Polizei von Paje, wobei jede deutsche Garage größer ist als das sogenannte Polizeigebäude. Nachdem unsere Daten aufgenommen wurden und wir erzählen was passiert ist (was nur auf einem Schmierzettel notiert wird), erhalten wir die Info, dass wir am nächsten Tag zur Polizei nach Makunduchi müssen, denn nur dort können wir einen Polizeibericht erhalten. Also gut, am nächsten Morgen fahren wir gemeinsam mit dem Hotelangestellten mit dem Taxi nach Makunduchi, wo der Chef laut Paje-Polizei auf uns wartet. Als wir dort ankommen stehen ca. 15 Polizeibeamten am Eingang des Gebäudes, davon arbeiten ca. 15 nichts und stehen einfach nur gelangweilt da. Unser Freund vom Hotel redet mit ihnen (natürlich auf Suaheli, mit uns direkt spricht niemand), wir zeigen den kleinen Beleg, den wir in Paje bekommen haben und dann heißt es, dass hier niemand für uns etwas tun könne. Der Mann, der den Bericht schreiben könne, kommt morgen wieder – oder am Tag darauf. Wir sollen einfach dann nochmals vorbeikommen. Danke! Glücklicherweise gibt sich unser Fahrer damit nicht zufrieden, er redet mit den Beamten, telefoniert mit irgendeinem Freund, der wiederum vielleicht irgendjemanden kennt. Nach einigem Warten können wir dann mit in ein Büro kommen, in dem wir tatsächlich unsere Namen und die gestohlenen Wertsachen notieren dürfen. Mit uns spricht immer noch niemand, nur mit dem Fahrer. Entweder die Polizisten sprechen kein Englisch, oder sie haben einfach keine Lust dazu. Bis alle Infos eingesammelt sind dauert es eine Weile, denn in dem Büro – es sitzen immerhin vier Beamten hier drin (wovon einer schläft und einer einfach nur da steht) – gibt es nur einen einzigen Stift. Und so wandert der Stift vom einen Polizisten zum Anderen, dann mal zu uns, dann wieder zurück, hinüber über den Schlafenden, zurück zum ersten, zwischendurch wieder zu uns und so weiter. Ein Stift in einem Viererbüro, unglaublich. Nach geraumer Zeit bekommen wir aber tatsächlich einen Polizeibericht in ausgedruckter Form, auf Englisch übrigens, also muss doch irgendjemand Englisch sprechen. Auf dem Dokument fehlt allerdings noch eine Unterschrift, denn hier Makunduchi darf den Bericht niemand unterschreiben, das muss in Paje gemacht werden. Also, auf nach Paje! Wir bedanken uns freundlich und wissen nicht, ob wir nun lachen oder schreien sollen. Egal, Hauptsache wir haben den Bericht. In Paje werden wir direkt zu der Person gebracht, die dann auch tatsächlich die Unterschrift unter das Schreiben setzt. Davor werden wir aber noch – tatsächlich auf Englisch – nach dem Tathergang gefragt, was alles gestohlen wurde und, als ob wir nichts anderes im Kopf haben, ob wir uns schon auf das nächste WM-Spiel freuen. Von den zwei Minuten, die wir hier drin sitzen, reden wir mehr über Fußball als über den Überfall. Aber wir haben einen unterschriebenen Bericht (dank unserem engagierten Taxifahrer, sonst würden wir immer noch dort stehen)!

Als wir Sansibar verlassen, werden wir im Gästehaus in Stone Town spontan vom Hostel-Chef zum Abendessen eingeladen, ganz simpel: Putzfrau, Chef und wir. Es gibt leckeres Chapati, Brot, Sansibar-Kartoffeln, Nudeln, frischen Saft und Datteln. Irgendwie ein versöhnlicher Abschluss mit der Trauminsel, die wir zukünftig immer sowohl mit Überfall als auch mit wunderbaren Stränden, super Essen, unglaublichem Meer und entspannter Atmosphäre in Erinnerung behalten werden.

 

3 Gedanken zu „Paradies mit Schattenseite“

  1. Ich bin froh, dass Euch nichts passiert ist und wünsche Euch auch, dass es ein einmaliges Erlebnis bleibt! Nichtsdestotrotz Sansibar sieht traumhaft aus!

  2. Hallo ihr zwei, man das hört sich echt hart an mit dem Überfall. Wir haben noch viel darüber nachgedacht und wahrscheinlich hatten wir bei unseren 17 Monaten einfach nur verdammtes Glück. Aber jetzt : Kopf hoch und weiter gehts! Ganz viel Spaß und herzliche Grüße aus dem verregneten Büro. Lena und Bernd

  3. Ihr habt ja Mut, mit solch einer Nussschale nach Sansibar zu fahren! Alles klingt paradiesisch und lädt zum Neidisch-werden ein, wenn da nicht Euer Schock-Erlebnis wäre. Gottseidank, dass die Diebe mit dem bisschen zufrieden waren, was ihr dabei gehabt habt. Jetzt wünsche ich Euch, dass dieses Erlebnis einmalig bleibt bis zum Ende der Reise.
    Gute Reise!!! Bruno

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