Unser eigentliches Afrika-Abenteuer beginnt erst richtig nachdem wir Arusha verlassen, denn bis hierhin hatten wir bereits alles im Voraus organisiert. Frühmorgens werden wir von unserer Unterkunft zum Busbahnhof gebracht, wo wir uns zunächst zu unserem Bus durch Händler und Ticketverkäufer kämpfen müssen. “Picnic Class” steht groß auf dem klapprigen Gefährt – ob das jetzt gut ist oder nicht, das wissen wir noch nicht, aber es hört sich verheißungsvoll an. Unterwegs gibt es aber kein Picknick, sondern enge Sitze, jede Menge Stopps, an denen Verkäufer alle möglichen Waren durch die Fenster anbieten, praktische Dinge wie Wasser oder Kekse, aber auch Haarreifen und Uhren. Der Bus wird immer voller und wir sind froh, dass wir einen Sitzplatz haben, auch wenn sie nicht sonderlich bequem sind und sich die stehenden Passagiere im Gang auch gerne an einen lehnen oder unsere Schultern als Haltegriff missbrauchen. Aber das ist hier eben so, wie wir bei den nächsten Busfahrten feststellen. Nach acht Stunden Fahrt erreichen wir dann endlich Lushoto in den Usambara-Bergen, eine frühere deutsche Siedlung (Wilhelmstal zu Kolonialzeiten), die wunderschön in den tiefgrünen Bergen liegt. Das kleine Dorf gefällt uns ganz gut und vor allem wirkt es ursprünglich und nicht von Touristen überrannt. Hier fallen wir zwar mit unserer Hautfarbe auf, aber wir sind nicht automatisch das Ziel von Verkäufern und Schleppern. Besonders faszinierend sind hier die Frauen, denn zum einen haben sie wunderbar farbenfrohe, bunte Kleider und Tücher an, die zusammen mit der dunklen Haut einfach gut aussehen, zum anderen wird von den Frauen alles auf dem Kopf getragen. Und mit “alles” meinen wir auch “alles”: Ein Eimer Randvoll mit Wasser, 30kg-Kartoffelsäcke, Körbe voller Zwiebeln, Äxte und Macheten, 3-4m lange Feuerholzbündel, Koffer, Wäsche, was auch immer. Wie das genau funktioniert bleibt uns ein Rätsel, aber es fasziniert uns. Die Usambara-Berge sind vor allem saftig grün und es wächst alles Mögliche an Obst und Gemüse, was den kleinen Dörfern mit den vielen Verkaufsständen eine bunte, frische Atmosphäre gibt. In einem evangelischen Hostel finden wir ein schönes Zimmer mit Fernseher, wo wir das WM-Eröffnungsspiel anschauen können (Bier ist jedoch nicht erlaubt).
Am nächsten Tag unternehmen wir mit einem Guide eine kleine Wanderung durch Lushoto, einige kleine Dörfer und den Magamba-Regenwald. Neben der dichten Pflanzenwelt und den kleinen, nur hier auffindbaren, grünen Chamäleons begeistern uns vor allem die Menschen mit ihrer Lebensfreude und ihrer Freundlichkeit, ganz besonders die Kinder. Kommt man in ein kleines Dorf dann kommen meistens schon die Kinder angerannt und rufen “Hello”, “Mzungu” (Weißer) oder “Picture”, man schlägt mit allen einmal ein und freut sich um die Wette. Ein Bild wollen trotzdem nicht alle, vor allem nicht die, die “Picture” gerufen haben. Da hier die wenigsten Leute Englisch sprechen, gehen wir davon aus, dass die Kinder gar nicht genau wissen was sie da rufen. Leider helfen uns hier auch oft unsere mickrigen Suaheli-Kenntnisse nicht weiter, denn jeder Stamm hat in Tansania eine eigene Sprache, erst in der Schule wird als erste Fremdsprache Suaheli gelernt und später Englisch. Das macht es für uns nicht einfacher.
Auf einem schönen Campingplatz, einer Biofarm, gibt es endlich mal wieder ordentliches Brot (bislang nur Toastbrot), ein frisch gebackenes Roggenbrot, selbstgemachtes Müsli, handgemachten Käse und Joghurt, eigene Marmelade, in der Summe ein extrem leckeres Frühstück. Fast wie zu Hause, wenn da nicht die Bananenstauden und Avocadobäume stünden. Auch das typisch tansanische Abendesse, Ugali (Maisbrei) mit Bohnen und Rindfleisch schmeckt herrlich. Nach zwei relaxten Tagen auf der Farm und nahe eines tollen Aussichtspunkts über die Massai-Steppe machen wir uns weiter auf den Weg, tiefer hinein in die Usambara-Berge. Die dreistündige Busfahrt von Lushoto nach Mambo vergeht wie im Flug, es gibt so viel aus dem Busfenster zu beobachten, quirlige Märkte, schwer beladene Frauenköpfe, winkende Kinder, aber auch so viel im Bus. Hier kann es schon passieren, dass Kinder einem auf dem Schoß einschlafen oder man einfach auf Suaheli zugetextet wird ohne ein Wort zu verstehen. In Mambo können wir unser Zelt bei einer Lodge aufschlagen und auch hier genießen wir die weite Aussicht in die Ebene und auf die nächste Bergkette. Bei klarem Wetter sieht man hier den Kilimanjaro, das bleibt uns leider verwehrt. Am nächsten Tag haben wir das Problem, dass wir hier leider nicht richtig wegkommen, denn die Busverbindungen sind bescheiden und Taxis gibt es nicht. Uns bleibt nur ein Piki-Piki! Also geht es eben die nächsten zehn Kilometer mit dem Motorrad-Taxi weiter: Die großen Rücksäcke werden hinten aufgespannt, Helme gibt es keine, Susis Fahrer ist ca. 14 Jahre alt, aber egal, die Fahrt ist Wahnsinn. Wir fahren die staubigen Straßen entlang, über unzählige Bodenwellen und durch noch mehr Schlaglöcher, durch kleine Dörfer und wilde Kurven bis wir schließlich Mtae erreichen und wir mit Sturmfrisuren wieder absteigen dürfen. Die wohl beste Unterkunft des Ortes ist gleichzeitig die wohl einfachste auf unserer Reise. Aber gut, 2,40 Euro pro Person im Doppelzimmer sind auch unschlagbar. Mtae ist, wie schon die Dörfer davor, eine Ansammlung vieler Lehmhäuser mit einem kleinen Marktplatz mit Obst- und Gemüsehändlern, einer staubigen Straße, vielen Kindern und kaum/keinen Touristen. Mit dem scheinbar einzig englischsprachigen Einwohner unternehmen wir eine kleine Tour durch das Dorf, wo uns wieder viele Kinder hinterherrennen, wir freundlich gegrüßt werden und wir einfach nur erschlagen werden von fremdartigen, faszinierenden, unvergesslichen Eindrücken. Das hier ist Tansania hautnah! Am Abend gehen wir mit unserem Guide Fußball schauen, d.h. ein kleiner dunkler Raum mit einem Fernseher in der Ecke, ca. 30-40 Einheimischen und wir die einzigen Weißen (und Susi die einzige Frau). Es wird heftig diskutiert, ob das jetzt wirklich eine rote Karte gegen Portugal war oder nicht. Egal, wir freuen uns über das Ergebnis. Später kommt noch eine Spanierin mit örtlichem Guide in den Raum, auf Fußball ist sie aber nicht so gut zu sprechen…
Mit dem frühen Bus um 4.45 (der “späte” fährt um 5.15) machen wir uns von Mtae wieder auf Richtung Lushoto, um weiter nach Tanga am indischen Ozean zu reisen. Der Bus ist wieder voll, wieder nur – positiv ausgedrückt – in durchschnittlichem Zustand, aber wir zahlen den regulären Preis. Unser Guide in Lushoto hat sich halb totgelacht, als wir ihm erzählt haben, wie viel wir von Arusha nach Lushoto bezahlt haben. Unterwegs kaufen wir bei einem Jungen fünf Muffins, da wir den Preis nicht verstehen, geben wir ihm einfach 1000 Schilling und schauen was passiert. Er versucht uns etwas zu erklären, aber wir verstehen wieder kein Wort. Irgendwann geht er dann mit den 1000 Schilling und die Frau nebenan kriegt sich vor Lachen nicht mehr ein, weil wir wohl viel zu viel bezahlt haben. Naja, 45 Euro-Cent für fünf Muffins werden uns nicht umbringen. Nach den vielleicht bisher spannendsten Tagen unserer Reise verlassen wir die Usambara-Berge und wir erreichen voller Eindrücke und ziemlich müde Tanga. Da kommt der Ozean zum Relaxen genau richtig.
Hallo ihr zwei,
Immernoch macht es mir viel Spaß eure witzigen und vor allem interessanten Berichte zu lesen! Weiter so und vor allem noch viele weitere imposante Erlebnisse und Begegnungen.
Bis bald
Jörg